Mit Fahrrad und Bussen durch Indien, Pakistan und China:
durch die Wüste Thar in Rajasthan,
durch den indischen Himalaja nach Badrinath und Rishikesh,
über den Karakorum Highway und den 4733 Meter hohen Khunjerab-Pass durch Pakistan und China,
auf der Südroute um die Taklamakan-Wüste und entlang der Seidenstraße bis Xian, dem "Tor zur Welt".
Leseprobe
Wir sehen keine Spuren mehr, denen wir folgen könnten. Ein Steinmännchen, das uns den Weg weisen könnte, ist ebenfalls nicht zu entdecken. Inmitten der Geröll- und Steinwüste finden wir eine weiche Sandmulde in der Nähe eines Wasserlochs. Wir schlagen unser Lager auf und wollen morgen weitersehen.
Am nächsten Morgen entdecken wir eine Rinne in der Wand, zu der wir hochklettern, und siehe da, wir sind auf dem richtigen Weg. Steile, ausgetretene Stufen führen eine Wand hinauf. Oben angekommen, breitet sich zwischen Felstürmen das weit geschwungene Yunz-Tal aus. Mit seinem grünen Grasteppich wirkt es nach dem steinigen Aufstieg vom Passu-Gletscher samtweich und einladend. Gemütlich wandern wir in weniger als zwei Stunden zur anderen Seite und blicken von oben auf die endlosen, mit Geröll bedeckten Eismassen des Batura-Gletschers, dessen Schönheit sich aber mit der des Passu-Gletschers nicht messen kann.
Wir folgen einem steilen, gut ausgebauten Pfad durch die senkrechten, zu Türmen ausgewaschenen Felswände, die den Batura-Gletscher einrahmen. Unten wachsen dornige Büsche und Büschchen im Sand. Wir entdecken eine Hütte für Schäfer und Wanderer. In dem großen Raum befindet sich in einer Vertiefung ein flacher Ofen mit Schornstein. Zwei Herdringe lassen sich von der Platte nehmen, um zu kochen und Fladenbrot zu backen. Ein großer Topf, zwei Kessel und Teetassen vervollständigen die Küchenausstattung. Ein paar Meter entfernt finden wir auf dem Gletscher ein Wasserloch, holen Wasser, sammeln Holz, machen ein Feuerchen und setzen den Teekessel auf. Im Nu ist die Hütte mollig warm.
Am Spätnachmittag betritt ein Pakistaner mit seiner sechs Jahre alten Enkelin Bino die Hütte. Er trägt den typischen Salwar-Kameez-Anzug der Männer, ein langärmeliges, knielanges Hemd über Pluderhosen. Er besorgt noch einmal Wasser und Holz, kocht Tee und zieht sein Hunza-Brot aus dem Beutel, um es mit uns zu teilen. Das Fladenbrot der Hunzakuts besteht aus gemahlenem Buchweizen, vermischt mit Beeren, Gemüse, Walnüssen und Mandeln. Es ist das einzige Essen, das der Mann dabei hat. Da teilen wir lieber unseren Reispudding mit den beiden. Vor allen Dingen das kleine Mädchen genießt die süße Kost.
Als es dunkelt, zündet der Großvater des kleinen Mädchens eine Öllampe an. In sieben Stunden sind die beiden über den Gletscher gewandert. Die Kleine ist todmüde und trotz des Puddings ungehalten. Sie verzieht das Gesicht und ist kurz vorm Weinen. Ihr Großvater kümmert sich liebevoll um sie, spricht beruhigend auf sie ein und zieht ihr die Schuhe aus. In einem warmen Schlafsack überstehen die beiden die Kälte der Nacht. Und wir auch.
Auf der anderen Seite des Batura-Gletschers liegen mehrere Sommerdörfer im aufsteigenden Tal. Yashpert, unser Ziel, soll in sechs Stunden zu erreichen sein. Wir laufen los. Hinter der Hütte beginnt der Weg, der sich im Nu im Nichts auflöst. Es gibt keine Wegweiser und keine Markierungen. Unterhalb der Eiswände fließt ein Fluss, zu dem wir absteigen. Wir klettern über die Schuttberge und finden endlich eine Stelle, wo der Fluss unter einer Eisschicht verschwunden ist und wir die Strömung überqueren können. Und endlich gewinnen wir Abstand vom Ufer.
Die Sonne scheint. Von haushohen Eisbergen poltert Gestein. Staub und Kiesel rutschen die Schmelzseite hinunter. Den ganzen Morgen kämpfen wir uns durch dieses unwegsame Gelände und erreichen schließlich die andere Seite des Gletschers. Und wo ist der Weg? Es ist keiner da. Die Gletscherhalden füllen das Tal aus. Das Hopsen, das Auf- und Absteigen und die Suche nach sicherem Tritt gehen weiter. Hinter jeder Felsenecke hoffen wir, auf den Weg zu treffen, immer wieder werden wir enttäuscht: Da ist kein ausgetretener Pfad!
Wir stehen vor einem Hang, der mit losem Geröll bedeckt ist. Ich will schon losmarschieren, doch David warnt, es sei zu gefährlich. Wir halten uns weiter links und klettern über die Moränen. Tatsächlich, von dem Lawinenhang kollern dicke Felsbrocken. Schließlich finden wir eine glatte und weiche Sandinsel inmitten des wie ein Trümmerhaufen wirkenden Geländes. Aus einem Wasserloch in der Nähe schöpfen wir Wasser, kochen und übernachten auf dem Gletscher.
Frisch gestärkt und ausgeruht kämpfen wir am nächsten Morgen weiter mit dem Batura-Gletscher. Endlich der Weg! Welche Erleichterung! Die ersten Büsche und Sträucher tauchen auf und dann die kleinen, flachen Oasen, wunderbare Zeltplätze. Die Steinwüste des Gletschers trennt die Oasen. Der Weg verläuft dann am Steilhang entlang. Plötzlich sehe ich David verschwinden. Er ist abgerutscht und mit dem schweren Gepäck gestürzt. Seine Knochen sind heil geblieben, doch eine Prellung am Oberschenkel macht das Gehen mühsam. In der nächsten kleinen Oase schlagen wir das Zelt auf. Ich klettere über die Moräne steil hinab zu einem Gletschersee und hole Wasser.
Am nächsten Morgen wandern wir ein Stückchen weiter und schlagen das Zelt früh an einem See auf, weil Davids Bein noch schmerzt. Wir erholen uns. Der Batura-Gletscher ist einer der wenigen, den ein fremder Wanderer laut Auskunft der Einheimischen im unteren Teil ohne Führung überqueren kann. Wir sind schnell vom kaum erkennbaren Weg abgekommen und zwei Tage durch die Geröllmassen geirrt. Die dritte Nacht steht bereits bevor. Für die Überquerung brauchen die Einheimischen kaum sechs Stunden. Wir müssen uns im Spurenlesen üben und haben dazu auf dem Rückweg Gelegenheit. Wir haben gehörig Respekt bekommen und sind froh, dass wir für mehrere Tage Proviant dabei haben.